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Vor Ort: Zeitzeugengespräch: Verfolgung in der DDR – wie anfängliche Begeisterung für das „Projekt gelebter Sozialismus“ in Resignation und Flucht umschlägt

Peter Drauschke  (Quelle: www.kas.de)
Peter Drauschke (Quelle: www.kas.de)

„Unser größter Fehler war, die DDR-Pässe nicht behalten zu haben“ – so schildert Zeitzeuge Peter Drauschke seinen vergeblichen Fluchtversuch aus der UdSSR über die Volksrepublik Bulgarien im Jahr 1972. Bis zu diesem Zeitpunkt hat unser Gast bereits circa zwei Stunden für die Hochschulgruppe der KAS in Bremen referiert. Berichte über sein Aufwachsen in der Hansestadt Hamburg und eine frühe Politisierung noch während der eigenen Kindheit stehen dabei zunächst im Vordergrund. Eine Kindheit, in der schon im Alter von vierzehn Jahren Werke von Karl Marx und Friedrich Engels eine faszinierende Wirkung auf Peter Drauschke ausübten und die Sommerferien „in der Zone“ in FDJ-Feriencamps verbracht wurden. Im Alter von achtzehn Jahren erfolgte - trotz Widerstand der Eltern und selbst des Verfassungsschutzes - die freiwillige Übersiedlung in die DDR nach Rostock, wo Drauschke im Parteiapparat über die Jahre bis zum FDJ-Sekretär aufstieg. Er sei dabei einer Ideologie verfallen, die ihre Untergebenen nach dem Motto „Wenn du nicht für den Sozialismus bist, bist du gegen den Frieden“ indoktriniert und wie ein Schleier das eigene, kritische Reflexionsvermögen getrübt habe.

Der für ihn persönlich entscheidende Moment des „Aufwachens“ sei der Einmarsch der Sowjetunion in der Tschechoslowakei 1968 gewesen, was nicht mit seinen Wertvorstellungen vereinbar gewesen sei. Sein innerer Wandel und die zunehmende Skepsis den herrschenden Verhältnissen gegenüber, veranlassten ihn schließlich im Jahr 1972 gemeinsam mit einem Freund und unterstützt durch die westdeutsche Familie seiner Schwester zur Flucht über den sozialistischen Bruderstaat Bulgarien. Dies schlägt jedoch fehl. „Aufstehen!“ bellt Drauschke plötzlich, den Beamten der Staatssicherheit während seines Verhörs in Bulgarien imitierend. Unweigerlich zucken wir alle etwas zusammen, die unmenschliche Behandlung innerhalb der Abschiebehaft und die Inhaftierung in der DDR lassen selbst Unbeteiligten einen Schauer über den Rücken laufen.

 

Aber sind wir wirklich Unbeteiligte? Nein, erläutert Drauschke sowohl zu Beginn als auch gegen Ende seines Vortrages. Wir, die junge Generation, tragen Verantwortung dafür, dass die Erinnerungskultur an das DDR-Unrecht nicht bagatellisiert oder gar ignoriert wird. Politisches Interesse und kritisches Reflexionsvermögen gerade unter Jüngeren zu fördern hält unser Gast für eine der gegenwärtig wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen. Diese Begegnung wird uns noch lange im Gedächtnis bleiben. 

 

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