
Von der Bundesstadt Bonn ins überschaubare St. Andrews: Daniel Müller absolvierte den einjährigen Masterstudiengang „Systematic and Historical Theology“ in der schottischen Universitätsstadt
Am Anfang aller Gedanken an einen Auslandsaufenthalt stehen sicher die grundlegenden Fragen: Wohin und warum dort? Für meine Fächerkombination aus Katholischer Theologie und Geschichte erschien ein Auslandsaufenthalt zur Vertiefung in der Kirchengeschichte als sinnvoll. Die entsprechenden Hochschulrankings für den von mir favorisierten britischen Raum sprachen eine recht eindeutige Sprache, was die Qualität der Lehre und vor allem die Zufriedenheit von studentischer Seite anbelangte: Die University of St. Andrews belegt in Theologie, aber auch vielen anderen Studiengängen, seit Jahren den ersten Platz. Insgesamt zählt die Universität in Tradition, Selbstverständnis und auch im Vergleich zu den anderen beiden britischen Spitzenuniversitäten Oxford und Cambridge zu den besten Großbritanniens. Für meine thematischen Schwerpunkte stellte sich St. Andrews also als die erste Wahl heraus und diese Erwartungen sollten über das nächste Jahr auch bestätigt werden.
Vorbereitung, Planung und Organisation: Ein langer Atem ist gefragt
Um meinen einjährigen Auslandsaufenthalt angehen zu können, mussten noch vor seiner administrativen Organisation einige längerfristig angelegte Vorbereitungen getroffen werden.
Besonders musste die Zeit im Ausland reibungslos in mein Studium mit zwei unterschiedlich strukturierten Studiengängen eingebettet werden. Der sechsjährig angelegte Magister-Studiengang in Katholischer Theologie musste mit dem im Bachelor/Master-System angelegten Geschichtsstudium so harmonisiert werden, dass beide Fächer nach meiner Rückkehr an die Bonner Universität sinnvoll fortgesetzt werden konnten. In Geschichte stellte dieser Einschnitt sinnvollerweise der Übergang vom Bachelor auf den Master dar, wohingegen der Magister in Katholischer Theologie für einen Auslandsaufenthalt unterbrochen und ein Jahr schneller studiert werden musste, als von der Studienordnung vorgesehen.
Die aus dem Doppelstudium resultierende, etwas komplexere Einbettung des Auslandsaufenthaltes begann ich anderthalb Jahre zuvor mit der entsprechenden Belegung von Lehrveranstaltungen und Prüfungen vor Beginn meines Studiums in St. Andrews. Eine Herausforderung, die sich letztlich als schwieriger erwies, als die eigentliche Organisation meines bald anstehenden Studiums im Ausland.
Da sich St. Andrews durchaus als elitäre Kaderschmiede für britische Gesellschaft und Königshaus versteht – Prince William und seine Frau Kate lernten sich hier im Studium kennen – stellt die Universität etwas höhere, aber durchaus realisierbare Ansprüche an mögliche Bewerber für ein Masterstudium: Als Sprachvoraussetzungen werden statt der üblichen 90 Punkte im TOEFL 100 verlangt und neben einem ausführlichen Motivationsschreiben und einem Auszug aus bisherigen akademischen Arbeiten müssen auch zwei Fachgutachten von Hochschullehrern eingereicht werden. Der Stichtag ist regelmäßig im Januar.
Nachdem ich eine Zusage für einen Masterplatz im März erhalten hatte, war der letzte Schritt der Organisation die Suche nach einer Wohnung, bevor das neue akademische Jahr anders als in Deutschland im September beginnen sollte: Ein Angebot für ein Zimmer im etwas entlegenen Studentenwohnheim für Master-Studierende lehnte ich zugunsten einer zentraleren und etwas preiswerteren, aber mit 650£ pro Monat für deutsche Verhältnisse dennoch teuren Wohnung, ab. Nachdem auch dieser Punkt geklärt war konnte ich mein Studium im September beginnen.





Institute for Metaphysics - Eingang zum St. Mary's College -Weihnachtskonzert in der Trinity Church - Die KAS-Kontaktgruppe in Schottland - Der Autor beim Welly Ball (Fotos: Daniel Müller)
Studium: Rundum versorgt und akademisch herausragend
Ganz im Unterschied zu meinen Erfahrungen in Deutschland stellte sich die Planung der drei Terms am St. Mary’s College, der School of Divinity, als perfekt organisiert und in Gänze reibungslos dar: Mein Studiengang, der mit nur sieben Studierenden begann, von denen letztlich fünf die Master-Arbeit angehen sollten, wurde durch einen „Coordinator“ betreut, der alle Studierenden einzeln zu ihren jeweiligen Veranstaltungen anmeldete, sich um alle denkbaren Fragen kümmerte und stets ansprechbar blieb. Die Studierenden mussten praktisch keinerlei administrative Aufgaben übernehmen, sondern konnten sich ungehindert dem Studium widmen. Schon hieran zeigt sich die Berechtigung, mit der St. Andrews als Universität die höchsten Zufriedenheitsraten von Studierenden in Großbritannien erfährt und innerhalb der Gesamtuniversität die School of Divinity in dieser Hinsicht den Spitzenplatz unter den verschiedenen Schools an der Universität einnimmt.
Alle administrativen Aufgaben wurden den Studenten abgenommen. Dies erleichterte den universitären Alltag ungemein – was sich bei dem intensiven Pensum der fast wöchentlich zu schreibenden Essays als sehr hilfreich herausstellte. Denn die sehr kleinen und zuweilen von gleich zwei Dozenten betreuten Seminarsitzungen gingen einher mit einem sehr hohen Leseumfang, der die Voraussetzung für die durchaus anspruchsvollen Seminardiskussionen darstellte. Wenn die Seminare, die ich bis dahin in Deutschland belegt hatte, häufig von mehr oder weniger guten Referaten Studierender getragen wurden, die dann in mehr oder weniger gute Seminardiskussionen führten, so befanden sich diese Seminare wissenschaftlich und denkerisch auf besonders hohem Niveau. Ermöglicht wurde dies neben dem hohen Lesepensum auch durch die Anzahl der Seminarsitzungen. Anders als Undergraduate Students (Bachelor-Studierende), die recht viele Veranstaltungen pro Woche besuchen, studieren Postgraduates (alle, die bereits einen akademischen Abschluss erlangt haben) in weniger Seminarsitzungen mit höherer Intensität: Zwei bis drei Seminare fanden mit jeweils zwei zweistündigen Sitzungen pro Woche statt.
Nach Abschluss zweier Terms galt der dritte und letzte Term des einjährigen Master of Letters (MLitt) einzig der Ausarbeitung der abschließenden Masterarbeit. Das Thema der mit 15.000 Wörtern recht begrenzten Arbeit ist frei wählbar. Von Mitte Mai bis zur Abgabe Mitte August, einem Zeitraum, in dem St. Andrews fast menschenleer ist, standen hierfür mehrere Treffen mit dem jeweiligen Supervisor an. Auch hier konnte ich die die Vorzüge einer vergleichsweise kleinen Universität mit einem sehr guten Betreuungsverhältnis erfahren: In langen Gesprächen kann das geplante Thema kritisch beleuchtet und miteinander fruchtbringend besprochen werden. Mögliche Inkonsistenzen in der eigenen Beweisführung konnten ausgeräumt und weitere Forschungsfragen mit Hinblick auf das eigene Thema diskutiert werden..
Mit Abgabe der Arbeit zum Ende des akademischen Jahres Mitte August endete mein einjähriges Studium in St. Andrews und ich kehrte nach Bonn zurück.
St. Andrews: Familiär und „ganz weit draußen“
Dass die University of St. Andrews durchaus einen gewissen Ruf besitzt, wurde bereits erwähnt, doch nennenswert ist auch die Umgebung, in der sich diese Universität befindet: Es kann nicht oft genug unterstrichen werden, dass die Universität in einer unglaublich kleinen Stadt untergebracht ist, oder mehr noch: Dass diese Stadt eigentlich nur aus der Universität besteht. Von den nur ca. 18.000 (!) Einwohnern der Stadt ist ca. die Hälfte mit der Universität assoziiert und der mittelalterliche Stadtkern besteht so gut wie nur aus Universitätsgebäuden und Instituten – Atmosphäre, Einwohner, Geschichte und Tradition sind also maßgeblich akademisch geprägt. Neben der Universität ist ansonsten Golfsport – der in St. Andrews erfunden wurde und bis heute dort normiert wird – tonangebend im Stadtbild.
Die Stadt direkt an der Küste, zum Teil auf Klippen zur Nordsee, und ist weit entfernt von übriger Zivilisation: Nicht nur wegen seiner überaus akademischen, sondern auch wegen seiner geographischen Lage wird St. Andrews die „bubble“ genannt.
Was einerseits und vorteilhafterweise zu einer schnellen Orientierung in der Stadt und zum ebenso schnellen Kennenlernen der mehrheitlich internationalen Kommilitonen führte, hat eine gewisse Beschaulichkeit zum Nachteil: Nach einem Jahr Aufenthalt in St. Andrews kennt man tatsächlich jeden Menschen und jeden Stein in der Stadt und freut sich auf jeden Ausflug ins nahegelegene Edinburgh.
No better place to be: Rückblick auf ein intensives Jahr
Als Zusammenfassung eines akademisch äußerst dichten und intensiven Jahres kann nur die Weiterempfehlung stehen: Wer sich im Rahmen eines Jahres in hoher Konzentration (und ja, auch in einer gewissen äußeren Abgeschiedenheit von der Welt) einem akademischen Thema widmen möchte, wird nur schwerlich einen qualitativ besseren, renommierteren und stärker fördernden Studienort als St. Andrews finden. Die Qualität der Lehre, die internationale Studierendenschaft und omnipräsente Tradition der drittältesten Universität im englischsprachigen Raum schaffen eine typisch britisch-akademische und dennoch einzigartige Atmosphäre. Wer also St. Andrews als Studienort wählt, findet eine lange Tradition, britischen Universitätsgeist und herausragende Wissenschaft so konzentriert, wie nirgends sonst auf der Welt.
Autor: Daniel E. D. Müller hat nach einem Bachelor- und Magisterstudium in Geschichte, Katholischer Theologie, Volkswirtschaftslehre und Bildungswissenschaften in Bonn einen Master in „Systematic and Historical Theology“ an der britischen University of St. Andrews absolviert. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der historischen Untersuchung der Beziehung von Kirche und Staat und auf der sozialethischen Frage nach den Möglichkeiten des Verhältnisses von Christentum und Gesellschaft.