„Diese Regierung ist keine Regierung mehr, diese Regierung ist zu einem Regime mutiert!“, wütet Björn Höcke. Und von Sarah Wagenknecht ist zu hören: „Mit «Wohlstand für alle» war anderes gemeint als die marktkonforme Verwaltung eines globalisierten Raubtierkapitalismus, der die Mittelschicht zerstört und diese Gesellschaft immer tiefer sozial spaltet.“
Als Student wird man mit solchen rechts- und linkspopulistischen Parolen im Gespräch mit Bekannten, Verwandten oder Kommilitonen oder am Wahlkampfstand konfrontiert. Und fragt sich: Was kann man da sagen? Was kann man da erwidern?
Im Grunde war es diese eine Frage - „Was kann man da erwidern?“ - die uns Studenten aus allen Winkeln Deutschlands, unterschiedlich alt und aus unterschiedlichen Fachrichtungen, vereinte. Wir trafen uns im beschaulich-abgelegenen Georgsmarienhütte in einer Unterkunft, die ein anonymer Teilnehmer als „Mischung aus Jugendherberge und Seniorenheim“ bezeichnete. Eine Woche lang versuchten uns dort verschiedenste Referenten, Antworten zum Thema „Populismus“ zu geben:
Die Antwort des Philosophiedozenten:
Dr. Alexander Aichele kann erst einmal wenig Hoffnung verbreiten: Weil man schlichtweg nicht wissen könne, was in der Zukunft passiert, gäbe es in der Politik kein wahr oder falsch. Stattdessen ginge es nur darum, wer überzeugender auftritt. Und in Sachen Überzeugungskraft seien die Populisten meist gut geschult: Sie vereinfachen und verallgemeinern; machen ihr Publikum glauben, man bilde eine eingeschworene Gruppe gegen äußere Feinde und bedienen geschickt die Ängste der Zuhörer.
Andererseits gibt es so auch eine konkretes Mittel gegen Populismus: Man muss noch überzeugender sein! Das ist schwierig, denn es verbietet sich, wie die Populisten entscheidende Informationen vorzuenthalten oder ohne konkrete Lösungen die Lage schlecht zu reden. Trotzdem kann man Erfolg haben, wenn man sich auf sein Publikum einstellt, glaubwürdig und charismatisch auftritt, die links- und rechtsintellektuellen Ideologien kennt, mit Rückfragen die Populisten aus der Reserve lockt und Ängsten konkrete Hoffnungen entgegensetzt.
Die Antwort der Historiker:
Bei unserer bitterkalten Exkursion zu den Externsteinen und dem Herrmannsdenkmal im Teutoburger Wald treffen wir schließlich auf Cornelia Müller-Hisje und Joschka Jakobfeuerborn, die dort Führungen veranstalten. Sie sind täglich mit den extremen Auswüchsen geschlossener Weltbilder konfrontiert: Mit Neonazis, Esoterikern und Verschwörungstheoretikern, die an diese Orte pilgern. Auch sie können uns nur mitgeben: Sofern es noch Sinn macht, immer wieder das Gespräch suchen und mit breitem historischen Wissen argumentieren.
Die Antwort des Rhetoriktrainers:
Auch für Rhetoriktrainer Jan Alpmann ist der Kampf gegen Populismus eine Frage der Rhetorik. Und er bringt uns dafür konkrete Techniken bei: Wie wir für jeden im Publikum das passende Argument bringen; wie wir im Gespräch z.B. am Wahlkampfstand spontan reagieren und Leute auf unsere Seite ziehen und wie wir gegen destruktive Angriffe vorgehen. Dabei gibt er uns immer wieder Gelegenheit, die Methoden praktisch auszuprobieren.
Die Antwort des Wahlkampfstrategen:
Für Peter Radunski, Ex-Wahlkmapfmanager der CDU, äußert sich der Populismus ganz einfach in konkurrierenden Parteien. Der Kampf gegen den Populismus wird so zu einem Kampf um Wählergruppen und somit zu einer Frage des geeigneten Wahlslogans und des strategischen Besetzens von Schlüsselbegriffen und -themen. Er plädiert dafür, Felder wie „Deutschland“ oder „Heimat“ nicht den Rechtspopulisten zu überlassen und die Spaltung der AfD voranzutreiben, indem man sie auf Landesebene in Koalitionen einbindet. Matthias Reintjes, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Stadtrat von Emmerich, betont zusätzlich die Wichtigkeit von direktem Haustürwahlkampf.
Als wir selber Wahlkampfstrategien entwerfen, stellt sich aber schnell die Frage: Wie sehr darf man selber auf die Instrumente der Populisten zurückgreifen? Liegt die Grenze beispielsweise bei „Social Bots“? Oder ist schon gezielte Werbung auf Facebook für Leute, die aus einer bestimmten Region kommen oder bestimmte Seiten „geliket“ haben, moralisch verwerflich?
Es ist also viel Input, den wir über die Woche bekommen; viele Perspektiven, aus der wir den Populismus betrachten. Trotzdem hätte sich der ein oder andere auch noch mehr erhofft- z.B. die einfache Antwort auf die Frage, was denn Populismus streng genommen eigentlich ist.
Und wenn wir nun tatsächlich eines sicher wissen, dann dass es das eine Patentrezept gegen Populismus nicht gibt.
Anders als es aber möglicherweise jetzt den Anschein hat, haben wir die Woche in „GM-Hütte“ nicht nur mit Lernen verbracht: Gemeinsam haben wir gefeiert, gespielt und diskutiert. Wir haben eine gemeinsame Andacht gehalten, Osnabrücks „besten“ DJ kennengelernt, die längst überfällige Kampagne „Todt 2030“ geplant und mehr oder weniger ernste CDU-Slogan („Mutti statt Martin“, „Ruf doch mal Angie“) erfunden.
Gleichzeitig wurde unsere Gemeinschaft mehrmals auf eine harte Probe gestellt: Das sich über die ganze Woche erstreckende „Mörder“-Rollenspiel führte am Ende dazu, dass man niemanden mehr über den Weg trauen konnte; auch bei den abendlichen „Werwolf“-Runden stellte sich immer wieder die quälende Frage „Warum ich?“ und spätestens das gemeinsame Schauen des Ligaspiels zwischen Dortmund und München trennte die Spreu vom Weizen: Wer ist ein Borusse und wer für die Bayern?! Nein im Ernst: Es war ein spannendes Seminar und wir hatten eine echt schöne Zeit miteinander!
Autor: Sven Jentzsch studiert Allgemeine Rhetorik und Politikwissenschaft in Tübingen.