
Es ist eine Frage mit besonderer gesellschaftlicher Relevanz: Seit einigen Jahrzehnten ist in den Industrienationen ein kontinuierlicher Anstieg der Lebenserwartung zu beobachten. Insofern ein höheres Lebensalter mit einem größeren Risiko altersbedingter Krankheiten einhergeht, wächst mit der Gruppe der hochbetagten Personen auch die Zahl derjenigen, die von entsprechenden Störungen, insbesondere von Demenzerkrankungen, betroffen sind. Diese Situation stellt zuallererst für die Betroffenen selbst aber auch für die sie Betreuenden eine hohe Belastung und große Herausforderung dar. Während die Betroffenen unter Einsamkeit und zunehmender Isolation leiden, fehlt es den oft hilflosen Betreuungspersonen an Verhaltensorientierung. In dem Bemühen, die Lebens- und Beziehungsqualität demenzerkrankter Personen zu verbessern und deren Erlebniswelt zu erschließen, kommen in den letzten Jahren auch in Deutschland im Zuge der Entwicklung neuer Pflegekonzepte zunehmend sogenannte ‚Therapieroboter‘ zum Einsatz.
Was sind Therapieroboter und was sollen sie leisten?
Therapieroboter sind Computer-Tiere, die in ihrer äußeren Gestalt einem Tier nachempfunden sind. Zum einen sollen Therapieroboter Pflegepersonen dabei unterstützen, mit demenzbetroffenen Menschen zu interagieren und Zugang zu ihrer Erlebniswelt zu finden. Darüber hinaus besteht ihre Funktion neben der Unterstützung mentaler Therapien, um den sukzessiven Verlust kognitiver Kompetenzen zu bremsen, auch darin, das Einsamkeitsempfinden schwerstdemenzerkrankter Personen zu lindern. Befürworter der Technologie verweisen auf deren erhebliche positive Effekte, die man als Steigerung des Wohlergehens der Betroffenen beschreiben kann. Trotz dieser positiven (Wohlergehens-)Effekte, ist der Robotereinsatz (ethisch) stark umstritten.
Warum ist der Robotereinsatz teils massiver ethischer Kritik ausgesetzt?
Einwände gegen den Robotereinsatz bringen die Sorge zum Ausdruck, der Einsatz von ‚Kuschelrobotern‘ sei mit dem Respekt vor der Würde Demenzbetroffener unvereinbar. In der Diskussion um Therapieroboter wird häufig das Bedenken geäußert, dass die Roboter den Mangel an mitmenschlicher Zuwendung und mitmenschlichem Interesse gegenüber betagten, demenzbetroffenen Personen kompensieren sollen. Es stellen sich u. a. die folgenden Fragen: Ist der Robotereinsatz entwürdigend, weil demenzbetroffene Personen infantilisiert oder ‚degradiert‘ werden? Verbietet es der Respekt vor demenzbetroffenen Personen ausgerechnet die Befriedigung ihrer emotionalen und kommunikativen Bedürfnisse an unbeseelte Therapieroboter zu delegieren, die gar nicht imstande sind, ihrerseits mit authentischen Emotionen zu reagieren? Gefährdet der Einsatz von Therapierobotern bei demenzbetroffenen Personen deren Selbstachtung? Wird die Achtung durch Dritte demenzbetroffenen Personen gegenüber durch den Robotereinsatz erschwert bzw. verunmöglicht? Würden die betroffenen Personen dem Vorgehen zustimmen, wenn ihnen bewusst wäre, welche Haltungen anderer ihnen gegenüber dadurch ggf. provoziert werden? Wenn eine demenzbetroffene Person einen Therapieroboter nicht als solchen erkennt, sondern z. B. für ein echtes Tier hält, darf sie dann in ihrer Selbsttäuschung bestärkt werden? Darf sie bewusst ‚getäuscht‘ werden, um therapeutische Effekte zu erzielen? Wenn ja, dürfen alle Mittel ergriffen werden, die dem Wohl einer (demenzbetroffenen) Person dienen?
Welchen ‚Beitrag‘ zur Diskussion um den Einsatz von Therapierobotern bei demenzbetroffenen Personen soll meine Arbeit leisten?
In meiner Dissertation nehme ich die öffentlich-mediale Kontroverse um Therapieroboter zum Ausgangspunkt, um die Verwendung von Robotik in der Pflege demenzbetroffener Personen moralphilosophisch zu untersuchen. Auf der Grundlage einer normativen Analyse der in den Pro- und Contra-Argumenten zentralen ethischen Konzepte (wie etwa Autonomie und Wohlergehen) im Lichte der mit Demenzerkrankungen einhergehenden Veränderungen sollen Kriterien für einen moralisch verantwortlichen, respektvollen Einsatz entsprechender Technologien entwickelt werden – ich suche nach Orientierungskriterien für den Einsatz von Therapierobotern, die die besondere Situation der Demenz erfassen und den betroffenen Personen in ihrer spezifischen Verfasstheit gerecht werden. Auch wenn das Dissertationsprojekt diese Überlegung vornehmlich mit Blick auf den Einsatz von Therapierobotern entfaltet, knüpft deren Explikation und Prüfung in vielfältiger Weise an darüber hinausreichende ethische Fragen bezüglich des Phänomens der Demenz und diesbezügliche Positionen in der moralphilosophischen Debatte an. Es wird daher erwartet, dass die Resultate der Forschungsarbeit auch für andere Problemstellungen im Bereich von Ethik und Demenz informativ sein können.
Autorin: Kathrin Schuster lebt mit Mann und kleinem Sohn in der Nähe von Münster. Sie ist seit August 2015 Promotionsstipendiatin der Konrad-Adenauer-Stiftung. In ihrer Dissertation beschäftigt sie sich mit dem Einsatz von Therapierobotern bei demenzbetroffenen Personen und fragt, ob bzw. inwiefern sich der Robotereinsatz ethisch verantwortlich gestalten lässt.
