
Formal ist die Sache gefühlt doch ganz klar: Zwei Unterschriften unter dem Élysée-Vertrag und eine Umarmung von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle besiegelten 1963 das Ende der einstigen Erbfeindschaft und sollten aus Deutschland und Frankreich Freunde machen. Heute ist die Zusammenarbeit beider Länder weitestgehend einzigartig in der Welt. Also alles ganz formidable? Wie rund läuft das deutsch-französische Tandem im Jahre 2018 wirklich?
Unter dem Titel „Ziemlich beste Freunde: Eine Einordnung der deutsch-französischen Beziehungen nach den Wahlen in 2018“ ist ein Initiativseminar dazu nun auf Spurensuche in Paris gegangen. Organisiert von den Münsteraner Stipendiaten Claudia Abmeier, Valentina Breitenbach, Julia Sußiek, Florian Hemann und Julian Runge sprach die Gruppe an ganz unterschiedlichen Orten wie der Nationalversammlung, der deutschen Botschaft oder dem deutschen historischen Institut mit noch viel unterschiedlicheren Referenten.
Klar, dass es da auch um harte Fakten ging – aber immer wieder kamen auch gewisse Befindlichkeiten zur Sprache. Prof. Hans Stark vom vom Cerfa – Institut Français des relations internationales ging in diesem Zusammenhang unter anderem auf eine frühere Umfrage der deutschen Botschaft in Paris ein. Die kam zu dem Fazit, dass Franzosen von den Deutschen gerne stärker respektiert und weniger geliebt werden würden. Der Franzose möchte also eher mit technischen Erfolgen und nicht nur mit (Klischees wie) Käse, Wein und Mode verbunden werden. Bei den Deutschen ist es laut der Umfrage im Übrigen genau andersherum: Sie wollen stärker geliebt und weniger respektiert werden.
Wie äußert sich das? Wenn in den französischen Medien von neuen Reformen berichtet wird, werde zum Beispiel oft auch erwähnt, wann der große Nachbar Deutschland bereits ähnliche Maßnahmen ergriffen habe. Dabei könne Deutschland genauso viel von Frankreich lernen – davon ist auch Dr. Nino Galetti, Leiter des KAS-Auslandsbüros in Paris, überzeugt. Ein Beispiel seien die pünktlichen Züge und Straßenbahnen. Das konnten auch die Seminarteilnehmer hautnah erleben, wenn es auf dem Weg zum nächsten Programmpunkt durch die Stadt ging oder zwischen den Terminen noch etwas Zeit zur freien Verfügung stand, um kurz am „Tour Eiffel“ oder dem „Arc de Triomphe“ vorbei zu schauen.
Egal mit welchen Referenten diskutiert wurde, fiel immer wieder der Name eines Mannes: Emmanuel Macron. Er war 2017 der Shootingstar. Nun – ein Jahr später – bewerteten die Referenten des KAS-Seminars seine Bilanz ganz unterschiedlich. Mancher sprach von großen Fortschritten, andere von Ernüchterung. Einigkeit herrschte hingegen in Hinblick auf Macrons gutes Verhältnis zu Deutschland. Er sei im Wahlkampf im Gegensatz zu Marine Le Pen und Jean-Luc Mélenchon nicht nur sehr „deutschlandfreundlich“ aufgetreten, sondern habe dann als Präsident viele Deutschlandkenner in Kabinett und Beraterstab geholt. Einer von ihnen ist etwa der für Wirtschaft und Finanzen zuständige Minister Bruno Le Maire. Auf der deutschen Seite ist dies andersherum nicht der Fall. Oder zumindest sind keine deutschen Politiker mit starkem Bezug zu Frankreich bekannt, was von einigen Seminarteilnehmern in der Rückschau als wichtige Hausaufgabe für die deutsche Politik bezeichnet wurde.
Das ist nur ein Baustein, um die deutsch-französischen Beziehungen zu stärken. Vor allem am besseren Austausch müsse des Weiteren gearbeitet werden. Das fängt bei Städtepartnerschaften an, geht über den Austausch von Beamten und hört bei Schüleraustauschen auf. Das war auch ein Fazit des Gesprächs mit Béatrice Angrand, der Generalsekretärin vom deutsch-französischen Jugendwerk (DFJW).
Wie deutsch-französischer Austausch aussehen kann, erlebten die Seminarteilnehmer am letzten Abend, als gemeinsam mit Mitgliedern der „Jeunes avec Macron“, also der Jugendorganisation von Macrons Partei La République en Marche, in Kleingruppen Themen der deutsch-französischen Zusammenarbeit diskutiert wurden. Auch hier stellte sich raus: 55 Jahre nach dem Élysée-Vertrag läuft immer noch nicht alles ganz rund. Vieles funktioniert aber schon jetzt formidable. Wenn man das von unseren Französischkenntnissen doch nur auch behaupten könnte…
Autor: Florian Hemann ist Stipendiat in Münster.
Fotos: KAS-Stipendiaten