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Im Herzen der EU – Zu Besuch in Aachen und Brüssel

Wie funktioniert die EU und welche Institutionen gibt es in Brüssel? Wie steht es um Großbritannien und den geplanten Brexit? Mit welchen Problemen sieht sich die NATO heutzutage konfrontiert? 21 Stipendiaten verbrachten eine Woche in Aachen und in Brüssel, um Antworten auf all diese Fragen zu bekommen. 

Ein Hubschrauber steht dröhnend über uns am Himmel, belgische Polizisten steigen aus ihren Einsatzwägen und suchen den Boden nach gefährlichen Gegenständen ab. Ein großflächiges Gebiet innerhalb des Europaviertels haben sie mit Betonblöcken gesichert und mit Stacheldraht abgesperrt, denn hier werden heute Abend die europäischen Staats- und Regierungschefs zum Gipfeltreffen anreisen. Auf dem Brüsseler Gipfel wird es um den Brexit gehen, um die Flüchtlingskrise und die Haushaltspolitik Italiens. Direkt hinter der Absperrung stehend und den Blick neugierig auf das Geschehen gerichtet: 21 KAS-Stipendiaten, die das Glück hatten, vom 12. bis 18. Oktober ihr Aufbauseminar in Brüssel absolvieren zu dürfen. 

Für das Seminar waren die Stipendiaten nicht nur in Brüssel, sondern auch eineinhalb Tage in Aachen. Denn im frühen Mittelalter war Aachen die insgeheime Hauptstadt Europas: Karl der Große machte die Stadt damals zum Zentrum seines Reiches und formte Europa von hier aus entscheidend mit. Durch seine Grenzlage ist Aachen auch heute von einem starken europäischen Charakter geprägt, es finden sich zahlreiche kulturelle und architektonische Einflüsse aus den Nachbarländern. Leiter des siebentägigen Seminars war Prof. Dr. Burkard Steppacher.  

 

Aachen – eine Stadt mit viel Historie und europäischem Charakter

 

 

 

Um bestens vorbereitet für Brüssel zu sein, näherten wir uns in Aachen erst theoretisch der EU und der NATO an. Dafür führte uns Prof. Steppacher mithilfe von Karikaturen in die Geschichte und die Probleme der Europäischen Union ein. Altstipendiat Dr. Matthias Belafi, Referatsleiter in der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, führte die verschiedenen Entwicklungsschritte der EU aus und stellte die wichtigsten Daten vor. Am Tag darauf erläuterte Adrian Neumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel die Aufgaben und das Selbstverständnis der NATO. 

 

Danach lernten wir Aachen durch eine Stadtführung besser kennen. Wir besuchten die heißen Thermalquellen, liefen an der archäologischen Ausgrabungsstätte in der Innenstadt vorbei und besuchten den berühmten Dom, der als erstes deutsches Denkmal in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurde. Von außen bietet dieser einen außergewöhnlichen Anblick: Denn im Laufe der Jahrzehnte wurde der Sakralbau mehrfach beschädigt und stets wieder aufgebaut – immer getreu dem Stil der jeweiligen Zeit. Deshalb besteht der Dom heute aus mehreren, unterschiedlich aussehenden Teilbauten. Innen ziert ein buntes Mosaik aus Millionen von Steinen die Kirchenwände, das jedoch im Vergleich zum Dom noch relativ jung ist. 

Wir sprachen außerdem mit Bernd Vincken, Geschäftsführer der Stiftung des Internationalen Karlspreises, der uns im Aachener Rathaus mehr über die Vergabe des Karlspreises erzählte. Mit dieser Auszeichnung werden hauptsächlich Menschen geehrt, die sich um die europäische Einigung verdient gemacht haben.

 

Ein Highlight: Hans-Gert Pöttering zu Gast im KAS-Europabüro

 

Für den zweiten Teil des Seminars fuhren wir mit dem Reisebus nach Brüssel. Für viele war es der erste Besuch in der belgischen Hauptstadt. Auch dort besichtigten wir die Sehenswürdigkeiten, besuchten das weltbekannte Atomium, die beliebte Bronzefigur Manneken Pis, den Grand Place mit seiner außergewöhnlichen Architektur und dem Brüsseler Rathaus und die Ladenpassage Galeries Royales Saint-Hubert. 

Abends ging es ins Europabüro der KAS, wo wir die Hochrechnungen der Bayerischen Landtagswahlen im Livestream verfolgten. Im Anschluss sprachen wir mit Franziska Broich, Altstipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der KAS, über ihre Arbeit als Brüssel-Korrespondentin bei der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA). Dort empfing uns auch der Leiter des Büros Hardy Ostry und Hans-Gert Pöttering, Europäischen Parlamentspräsident a.D. und ehemaliger Vorsitzender der KAS und beantwortete unsere Fragen. Dieser hochkarätige Besuch war ein echtes Highlight des Seminars.

 

Wir statteten außerdem der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen einen Besuch ab und besichtigten das Haus der europäischen Geschichte, wo wir uns die Ausstellung erst mit einer Führung, dann auf eigene Faust anschauten. Dabei kommt das Museum fast ohne Beschriftungen aus: All die Informationen kann man dafür auf einem Tablet abrufen, damit jeder Besucher die Infos auf seiner eigenen Sprache lesen und anhören kann.

Brüssels Lobbyisten und der Brexit

 

Ein Thema durfte beim Seminar ebenfalls nicht fehlen: Der Lobbyismus in Brüssel. Es ist allseits bekannt, dass es in Brüssel mehr Lobbyisten als Politiker gibt und gerade dieser Berufszweig ist seit langem ständiger Kritik ausgesetzt. Um uns einen etwas differenzierteren Einblick zu geben, war Garlich von Essen, Generalsekretär der European Seed Association (ESA) bei uns zu Gast. Er vertritt einen der Interessenverbände, die in der letzten Zeit oft unter Beschuss standen. Er sprach vom unberechtigt schlechten Ruf der Agrarlobby und dem unberechtigt guten Ruf von Umweltschutzverbänden, die genauso Lobbyarbeit betreiben. Er musste sich kritischen Fragen unterziehen, legte aber auch seine Sicht der Dinge nachvollziehbar dar. 

Mit Mathias Dubbert, Leiter des Referats Europapolitik des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Brüssel diskutierten wir über den Brexit und die möglichen Folgen einer Loslösung Großbritanniens von der EU. Aber auch die wichtigsten Institutionen standen auf dem Programmplan: Wir besuchten das Europäische Parlament und sprachen mit dem Europaabgeordneten Michael Gahler, sicherheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion. In den Gängen des Parlaments erhaschten wir außerdem einen Blick auf Manfred Weber (CSU), Chef der EVP-Fraktion mit guten Chancen auf den Posten des Kommissionspräsidenten. 

 

Regionale Vielfalt in Brüssel

 

Im Anschluss ging es zur Bayerischen Landesvertretung – ein hübsch renoviertes, etwas pompöses Schlösschen, eingerahmt von EU-Institutionen und mit gutem Blick auf Haus der europäischen Geschichte. Seit 2001 gehört die Immobilie dem Freistaat Bayern. Barbara Schretter, Leiterin der Vertretung und KAS-Altstipendiatin führte uns durch das Anwesen, in die Büros und die Wendeltreppe hinunter in den Bier- und Weinkeller. Berühmt in Brüssel ist die Vertretung nicht nur wegen ihres Prunks, sondern auch wegen des Oktoberfests, das alle zwei Jahre hier ausgerichtet wird und sehr beliebt ist.

 

Damit auf die theoretische Einleitung in die Aufgaben der NATO auch etwas Praxis folgt, besuchten wir das ebenfalls in Brüssel ansässige NATO-Hauptquartier. Der imposante Neubau, der erst kürzlich eröffnet wurde, ist vom Architekten in Form einer ineinandergreifenden Hand konstruiert worden – zum Zeichen der transatlantischen Zusammenarbeit. Der Zutritt ist nur unter strengen Sicherheitskontrollen erlaubt, Fotos sind verboten. Im NATO-Gebäude besuchten wir die Ständige Vertretung der Bundesrepublik Deutschland, wo Pressesprecher Volker Herzog unsere Fragen beantwortete.  

 

Nur wenigen ein Begriff: Das Verbindungsbüro des Deutschen Bundestags in Brüssel

 

Im Anschluss besuchten wir eine Einrichtung, von denen viele gar nicht wissen, dass sie überhaupt existiert: Das Verbindungsbüro des Deutschen Bundestages in Brüssel. 2007 ins Leben gerufen, soll es helfen, rechtzeitig von Vorgängen in Brüssel Wind zu bekommen: Das Büro ist ein direkter Draht, eine Art Hörgerät und Sprachrohr des Bundestags. Dort wurden wir von der CDU/CSU Fraktion empfangen. Wir kamen auch auf die nächstes Jahr anstehenden Europawahlen zu sprechen und diskutierten über die Themen, die unserer Meinung nach den meisten EU-Bürgern unter den Nägeln brennen. 

 

Zu Besuch bei der EU-Kommission und bei Günther Oettinger

 

Was auch nicht fehlen durfte: Ein Besuch bei der Europäischen Kommission. Hier begrüßte uns Christian Staat, ebenfalls KAS-Altstipendiat und persönlicher Referent von Kommissionsmitglied Günther Oettinger. Auch Oettinger kam überraschend für ein paar Minuten vorbei und stellte sich den Fragen der Stipendiaten. Er bedauerte, dass die Europäische Union bei vielen Menschen so wenig präsent ist. Oft decke auch nur die Berichterstattung der überregionalen Medien EU-Themen ab: „Europa findet in anderen Medien statt als in Regionalzeitungen“. 

 

Den letzten Abend ließen wir in der Brüsseler Innenstadt ausklingen und testeten das belgische Bier. Da dieses anders als in Deutschland keinem Reinheitsgebot unterliegt, werden hier die ausgefallensten Sorten gebraut: Es gibt beispielsweise Bier mit Schokoladen-, Kirsch-, Maracuja- oder Bananengeschmack. Was wir nicht wussten: Zeitgleich trafen sich ebenfalls eine Handvoll europäischer Regierungschefs in der Brüsseler Innenstadt: Merkel, Macron und die Kollegen aus Belgien und Luxemburg taten es uns gleich und nippten an belgischem Bier, wie Videos später beweisen sollten. Worüber sie redeten? Die Themen lagen bestimmt nicht ganz so weit weg von den unsrigen.

 


Autorin: Julia Ruhs ist seit 2015 Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der KAS. Gefallen hat ihr am Seminar das straffe Programm mit den vielen hochkarätigen Gästen.

Fotos: KAS-Stipendiaten