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Internet-Demokratie und Partizipation

Das Internet bietet neue Chancen für politische Partizipation, für Meinungsvielfalt und für freien Wissenszugang. Ist die Digitalisierung also ein Segen für die Demokratie? Im Rahmen eines siebentägigen Aufbauseminars in Königswinter bei Bonn beschäftigten die Stipendiaten sich auch mit den Schattenseiten des Webs.

 

Handelt es sich bei einem speziellen Kommentar um freie Meinungsäußerung oder um einen Hasskommentar? Löschen oder lassen? Vor dieser Frage stehen inzwischen vielfach nicht mehr Menschen, sondern Maschinen. In Königswinter diskutierten Stipendiaten beim Seminar „Internet-Demokratie und Partizipation“ über die Folgen der Digitalisierung des Diskurses im Zuge des Aufstiegs Sozialer Netzwerke – angeleitet von Experten, die sehr unterschiedliche Perspektiven einbrachten.

 

Journalismus: Keine Zeit mehr für die Recherche?

Dirk Förger beschrieb anhand persönlicher Erfahrungen aus seiner Karriere als Journalist und Pressesprecher, unter welchem wirtschaftlichen Druck zahlreiche Redaktionen inzwischen leiden. Die Zeit für intensive Recherchen werde unter anderem deshalb immer knapper bemessen. Angesichts von Fake News, die sich im Netz schnell verbreiten, rief er die Teilnehmenden außerdem auf, immer kritisch mit Medienberichten und anderen Online-Informationsquellen umzugehen.

 

Soziale Medien: Chance oder Gefahr für die Demokratie?

 

Der Arabische Frühling wird auch Facebook-Revolution genannt. Im Seminar wurde klar: Soziale Medien können nie die alleinige Ursache für den Erfolg einer Revolution sein – aber sie können ein hilfreiches Werkzeug in Zeiten des politischen Umbruchs sein. Das machte der Vortrag einer Stipendiatin aus Tunesien deutlich, die selbst während des Arabischen Frühlings eine Facebook-Seite betrieben hat. Aber nicht nur die Bürger, sondern auch die Regierung kann Soziale Medien für sich nutzen, wie Boris Reitschuster, Journalist und Russland-Experte, in seinem Vortrag warnte.

 

Die Möglichkeiten der Digitalisierung für den Wahlkampf zeigte Christian Zinke von PXN Digital. Seine Agentur steckt unter anderem hinter dem Projekt Connect 17 – mit dieser Wahlkampf-App hatte die CDU vor den Bundestagswahlen und der Europawahl Haustürwahlkämpfer mobilisiert.

 

YouTube: Gewalt, Sex, Drogen, Politik

 

Welche Bedeutung YouTube für den politischen Diskurs gewinnen kann, ist vor der Europawahl deutlich geworden. Der YouTuber Rezo hatte mit einem Video gegen CDU, SPD und AfD mobilisiert – sein Video dominierte tagelang die Berichterstattung. Aber auch Rechtsextreme nutzen Plattformen wie YouTube, um ihre politischen Botschaften zu verbreiten. Eine besonders kontroverse Diskussion führten die Stipendiaten mit Feroz Khan, der mit den Videos auf seinem Kanal achse:ostwest ein rechtes Publikum anspricht.

 

Auch wenn es prominente Beispiele für politische YouTube-Kanäle gibt – politische Inhalte haben es auf YouTube relativ schwer. Daniel Gatzke und Rafael Klein von der Agentur Gatzke Media informierten über Möglichkeiten der Kanal- und Videooptimierung, um auf YouTube Zuschauer zu gewinnen. Allerdings sei es schwer, mit politischen Inhalten dort erfolgreich zu sein, da die Werbetreibenden auf YouTube solche Videos nicht für ihre Anzeigen nutzen würden.

 

Einen kreativen Abschluss fand das Seminar mit einem Video-Workshop: In wenigen Stunden lernten die Stipendiaten, mit einem Tablet oder Smartphone Videos aufzunehmen und zu schneiden. Innerhalb von einem Nachmittag entstanden so journalistische, politische und unterhaltsame Videos – viele nahmen aus diesem Workshop die Motivation mit, sich künftig selbst stärker mit politischen Inhalten in sozialen Netzwerken einzubringen.


Autorin: Helen Bielawa studiert Politikwissenschaften und Computerlinguistik und ist Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Am Seminar haben ihr besonders die kontroversen Diskussionen gefallen.

 

Fotos: Helen Bielawa