Mein Praktikum in der Gynäkologie in Maskat
Eine ausgedehnte Prüfungsphase, die Doktorarbeit im Labor oder die Famulatur (=Pflichtpraktikum im klinischen Studienabschnitt) verkürzen die lang ersehnten Semesterferien eines Medizinstudenten
manchmal merklich. Für mich stand im Sommer vergangenen Jahres auch wieder eine solche Famulatur auf der Agenda, zugleich hatte ich nicht vor, komplett auf Urlaub zu verzichten. Deshalb beschloss ich das Notwendige mit dem Angenehmen zu verbinden und mein vierwöchiges Praktikum im Ausland abzuleisten. Bei aller Vorfreude auf eine neue
Erfahrung wollte ich jedoch zwei Vorstellungen unbedingt realisieren:
1. Ich erwartete, auch fachlich tatsächlich von dem Praktikum zu profitieren – ich wollte also der Landes- bzw. Unterrichtssprache mächtig sein und im Gesundheitssystem einen in etwa vergleichbaren Standard zu Deutschland haben.
2. Da ich während meines Studiums bereits sechs Monate in Frankreich verbracht hatte, suchte ich bewusst nach einem außereuropäischen Land mit einem grundlegenden anderen kulturellen Hintergrund.
Bei meinen Recherchen stieß ich dann auf ein Land, das beide Aspekte verwirklichen konnte: das Sultanat Oman auf der arabischen Halbinsel.
Amtssprache dort ist – wie man bereits vermutet – natürlich Arabisch. Meine eigenen Arabischsprachkenntnisse reichen leider nur dazu aus, mich in zwei Sätzen vorzustellen und vielleicht noch nach dem Befinden meines Gesprächspartners zu fragen. Medizinische Inhalte auf Arabisch verstehe ich leider gar nicht. Aber! Handelssprache und Bildungs-Diktion ist im Oman jedoch Englisch. Das bedeutet, dass die omanischen Studierenden in fast jedem Studiengang (außer verständlicherweise Arabistik) auf Englisch studieren. Und auch in den Universitätskliniken oder anderen Krankenhäusern ist aufgrund der Ausbildungsweise der Studierenden sowie der großen Anzahl ausländischer Ärztinnen und Ärzten das Hauptkommunikationsmittel die englische Sprache: Patientenakten, die Morgenvisite oder auch Besprechungen würden mich also nicht vor unüberwindbare sprachliche Herausforderungen stellen. Meine zweite Prämisse sah ich in dem muslimisch geprägten Land ebenso erfüllt. Gleichzeitig kann man den Oman aber auch als gutes „Einsteigerland“ in die arabische Kultur sehen. Knapp 80 % der gläubigen Muslime im Oman gehören nämlich einer besonderen Form des Islams an: dem Ibadismus. Ibaditen zeichnen sich durch eine große Offenheit gegenüber allen Religionen aus und zählen wohl zu der tolerantesten Form des Islams in so gut wie allen Lebensbereichen.
Viele meiner Bekannten zeigten sich trotzdem überrascht-erschrocken, als ich von meinen Reiseplänen für den Sommer berichtete: „Ist es denn dort überhaupt sicher?“ Ja, das ist es. Der Oman zählt zu einem der sichersten Länder weltweit. Ich habe mich auch als Frau zu keiner Zeit gefährdet gefühlt. Natürlich habe ich darauf geachtet, mich der kulturellen Kleiderordnung anzupassen, aber bei über 40°Grad Celsius und strahlendem Sonnenschein jeden Tag ist es vielleicht auch nicht die schlechteste Idee, sich mit luftigen, längeren Kleidungsstücken vor einem Sonnenbrand zu schützen. Diebstahl und Einbrüche sind den Omanis so gut wie fremd. Zum Beispiel werden die eigenen Autos eigentlich nie abgesperrt; man kann sogar seine Wertsachen am Strand liegen lassen, während man baden geht.
Den Aufenthalt dort musste ich nicht komplett selbst organisieren, da ich mich circa ein Jahr im Voraus für das Austauschprogramm der bvmd beworben hatte. Die bvmd (=Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschland) ist nicht nur unsere Interessenvertretung, sondern unterstützt auch zahlreiche ehrenamtliche Projekte und koordiniert deren lokale und nationale Zusammenarbeit. Außerdem organisiert sie für Medizinstudierende - unterstützt vom DAAD und dem Auswärtigen Amt - ein Austauschprogramm für Famulaturen und Forschungsaufenthalte im Ausland. Analog zur bvmd in Deutschland existieren eigentlich in fast allen Ländern weltweit ähnliche Organisationen für Medizinstudierende. Diese haben sich unter einem universalen Dachverein zusammengeschlossen, um das Austauschprogramm koordiniert gestalten zu können. Der große Vorteil hierbei ist, dass nicht nur der eigene organisatorische Aufwand geringgehalten wird, sondern dass man als Teilnehmer/in an diesem Programm gleichzeitig in den Genuss einer Betreuung durch einheimische Studierende vor Ort bekommt. So hatte ich bereits im Vorfeld einen omanischen Medizinstudenten als Kontaktperson, der mir die wichtigsten Fragen beantworten konnte und wurde bei meiner Ankunft vom Flughafen abgeholt und direkt in die Unterkunft gebracht. An meinem ersten Tag im Krankenhaus begleitete man mich direkt auf die Station; ich war dann vier Wochen lang in der Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig. Dabei habe ich nicht nur einige natürliche Geburten mitansehen dürfen, sondern erlebte auch gynäkologische Operationen oder konnte in der Sprechstunde meine Ultraschallfertigkeiten verbessern.
Außerdem haben sich die omanischen Medizinstudenten wirklich unglaublich gastfreundlich um unsere Austauschgruppe gekümmert. Als eine Gruppe von neun internationalen Medizinstudierenden aus Deutschland, Slowenien, Polen und Rumänien haben wir im September an dem Austauschprogramm teilgenommen; alle zusammen wohnten wir in einer Unterkunft in der Hauptstadt Maskat. Nach unserem Alltag im Klinikum – entweder in den Forschungslaboren oder auf den einzelnen Fachstationen – haben die Omanis wirklich jeden einzelnen Tag (!) mit uns etwas unternommen, um uns möglichst viel von ihrem eigenen Land zu zeigen. Dabei haben sie immer bereitwillig ihre eigenen Autos zur Verfügung gestellt, alle notwendige Ausrüstung für die Wochenendausflüge zusammengepackt und mit uns über jedes Thema von Kultur, Religion, Politik oder Wertvorstellungen diskutiert. Während der Woche haben wir nach unserer Arbeit im Krankenhaus die freien Abende dazu genutzt, die Hauptstadt besser kennenzulernen. An den Wochenenden hingegen haben wir in einem Umkreis von ungefähr drei Autostunden den Norden des Landes erkundet. Wir unternahmen Ausflüge in die Wüste, beobachteten Schildkröten am Strand, probierten Datteln, frisches Obst und Weihrauch auf den traditionellen Souqs (ja, man kann die reine Form des Weihrauchs sogar essen - bei meinem ersten Versuch hatte ich zwar beim Anblick der harten Weihrauchstücke kurz Angst um meine Zähne, aber er lässt sich locker zerbeißen: in Sekundenschnelle schafft man sich somit einen natürlichen Kaugummi!). Wir durchquerten abenteuerlustig auf Quadbikes die Dünen, waren schnorcheln, sind auf Kamelen geritten, in den Bergen gewandert, haben unter freiem Sternenhimmel draußen geschlafen, literweise Karak (=gewürzter Schwarztee mit Milch) getrunken…
Mein Fazit:
Der Oman hat mich wirklich verzaubert und ich könnte noch stundenlang weiter von meiner außergewöhnlichen Zeit dort berichten. Ihr werdet in dem Land orientalische Städte, grüne Berge, glasklare Naturpools und natürlich auch sehr trockene Wüste sehen. Und nebenbei auf die gastfreundlichsten Menschen treffen, die ich bisher auf meinen Reisen kennenlernen durfte. Es lohnt sich wirklich, dieses Land zu entdecken – es kann schon mal gut passieren, dass man einen Einheimischen nur kurz nach dem Weg fragen möchte und zwei Stunden später von ebendieser Person zum Mittagessen eingeladen wird.
Autorin & Bilder: Christine Vogl, Medizinstudentin und Mitglied des Stipendiatenbeirates